Schöne Fahrräder

Tout Terrain Tanami Xplore im Test

Tout Terrain hat mit dem Tanami Xplore ein auffälliges All-In-One Reiserad mit untypischer Konfiguration auf den Markt gebracht. 29 Zoll Bereifung, 18-Gang Pinion Tretlagerschaltung und Gates Riemenantrieb. Bewährt sich sich diese Konfiguration im Praxistest? Das „erfuhr“ ich auf einer über 1.000km langen Testfahrt durch Deutschland und Frankreich (1.000km gen Süden entlang Rhein, Mosel, Saar).

Wer träumt nicht von einem wartungsfreien Rad, ohne schmierige Ketten, einer Schaltung, die sich nicht verstellt und einem Rahmen, der auch mit viel Gepäck nicht ins Schlingen gerät? In den letzten Jahren sind einige Rad- und Komponenten-Hersteller diesem Traum ein großes Stück näher gekommen. Die deutsche Fahrradmanufaktur Tout Terrain aus Gundelfingen bei Freiburg ist eine davon und sie stellte das Tanami Xplore für einen ausführlichen Test zur Verfügung.

Schalten und walten: Das Pinion-Getriebe

Auffälligste Merkmale sind das 18-Gang Tretlagergetriebe von Pinion P1.18 und der Gates Riemenantrieb. Als leidenschaftlicher Singlespeed-Fahrer war ich auf das große Übersetzungsverhältnis und den Wirkungsgrad gespannt. Die Diskussion „Kettenschaltung vs. Nabenschaltung“ zu eröffnen würde hier zu weit führen. Beide haben Ihre Berechtigung, aber sie lösen in mir auch den Wunsch nach etwas Besserem aus und das verspricht die Pinion.

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Mit 636% Gesamtübersetzung (18-Gang Version) schlägt diese Tretlagerschaltung jede andere Fahrradschaltung und das bei konstanter Abstufung ohne Gangüberschneidungen. Die gekapselte Bauweise lässt keinen Schmutz ins Getriebe und ein Ölwechsel (60ml) wird für nur alle 10.000km empfohlen. Inzwischen hat sich diese Innovation auch auf Weltreisen und unter widrigsten Umständen bewährt. Sehr viele Hersteller haben daher das nicht ganz billige Getriebe fest in ihr Programm aufgenommen. Die Schaltung erfordert einen besonderen Rahmen und wird nur zusammen mit einem neuen Rad verkauft.

Tout Terrain hat sich eine raffinierte Getriebeaufhängung (TBA) einfallen lassen, welche die einfache Verstellung des Tretlagermittelpunktes zum Spannen der Kette bzw. des Riemens erlaubt. So bleibt das Hinterrad immer gerade im Rahmen und die Ritzel stehen exakt parallel zueinander. Allein diese Konstruktion finde ich sehr überzeugend und in Puncto Stabilität machte es einen sehr robusten Eindruck.

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Einzig die vom Rahmen entfernt einlaufenden Schaltzüge sind eine potentiell gefährdete Stelle. Ein Austausch des Zuges wäre mit Bordwerkzeug aber zu bewerkstelligen. Ein weiterer Kritikpunkt betrifft plötzliche Gangsprünge: Am 1. Tag wurde ich auf einer Strecke von 210km fünfmal von diesem Phänomen überrascht. Am 2. Tag (180km) nur noch einmal und auf den restlichen über 700km gar nicht mehr. Irgendwie schien es mit der Art zu schalten zusammenzuhängen.

Testurteil Pinion P1.18

Wer die lautlose Pinion einmal fuhr, will keine andere Schaltung mehr. Ob schalten im Stand oder die feinen Abstufungen für den optimalen Tritt, der Gangwechselschalter wird zum Gasgriff am Fahrrad. Obwohl ich nicht dachte das Übersetzungsspektrum voll auszunutzen, gab es viele Gelegenheiten für alle Gänge. Auf gerader Ebene wählte ich meist den 13. oder 14. Gang. An sehr steilen Brückenauffahrten, wo ein Abspringen nötig wäre, half der 1. Gang im Sattel zu bleiben. Bei Bergabfahrten ist noch bei 40km/h im 18. Gang ein entspanntes Treten möglich.
Für ein Kurzstrecken- oder Alltags-Rad ist die Pinion sicher zu teuer, für ambitionierte Fahrer und auf langen Reisen dürfte die Tretlagerschaltung aber die Träume der meisten Radfahrer nach einer zuverlässigen Schaltung erfüllen.

Nicht zu überhören – Hope Freilaufnabe

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Im Hinterrad ist eine Sperrklinken Nabe von Hope eingespannt. Die feine Verzahnung sorgt für eine direkte Kraftübertragung bei minimalem Schlupf. Allerdings gibt es bei dieser Technik einen großen Nachteil und der ist bei diesem Modell unüberhörbar: Ein so laut klackernder Freilauf, dass ich mich auch nach Tagen nicht daran gewöhnen wollte. Manche Radfahrer mögen dieses Geräusch und an einem Rennrad mag es noch motivierend klingen, aber an einem Reiserad, wo man sich in der stillen Natur auch mal ausrollen lässt, wird damit jede Ruhe zerstört.

Darum ist die Hope Nabe für mich an diesem Rad ein absolutes No-Go. Nach Rücksprache mit Tout Terrain hieß es, dass standardmäßig nun eine deutlich leisere Nabe von American Classic verbaut wird. Alternativ lässt sich auch die deutlich teurere Chris King Nabe verbauen. Persönlich würde ich mir an diesem Rad einen absolut geräuschlosen Walzen- bzw. Rollenfreilauf wünschen.

Kette adé – Die Zukunft heißt Riemen

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Eine Kette am Rad braucht viel Aufmerksamkeit: Stets will sie gut gefettet und gespannt sein. Doch spätestens beim nächsten Regen und auf matschigen Feldwegen hilft auch die beste Pflege nichts mehr. Es gab in der Vergangenheit immer wieder Versuche zu Alternativen wie Kardan- oder Riemenantriebe, letztere haben endlich das Potential sich durchzusetzen.

Zwar ist der Gates Carban Drive teurer als eine Kette und braucht einen zu öffnenden Rahmen, aber der Komfortgewinn ist jeden Cent wert. Nie wieder schmierige Hände und verdreckte Ritzel, kein Ölen und weniger Nachspannen. Auch bei widrigstem Wetter läuft der Riemen geschmeidig und ruhig. Nach rund 600km führten Abrieb und Staub zu einem leisen „Gezwitscher“, einmal mit einem feuchten Tuch abgewischt, war der Riemen wieder ruhig gestellt. Für mich wird es kein neues Rad mehr ohne Gates geben. 

Große laufruhige 29 Zoll Ballonräder

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Persönlich konnte ich mich nie für 26 Zoll Reiseräder begeistern, auch wenn sie ihre unbestrittenen Vorteile wie höhere Stabilität und internationale Verfügbarkeit haben. Das Tanami wurde speziell für „Twentyniner“ entwickelt, was im Grunde 28 Zoll Felgen mit Ballonreifen sind. Nun sind Ballonreifen aufgrund der Masse nicht bekannt für Ihre Leichtläufigkeit und das minimale Profil der Schwalbe Supreme ließen mich an der Alltagstauglichkeit zweifeln. Doch die lange Testfahrt sollte mich eines Besseren belehren:

Die Reifen laufen perfekt auf trockenem Asphalt. Das hohe Volumen federt Stöße ab, ohne dass ich das Gefühl von Schwerfälligkeit hatte. Allerdings fuhr ich die Reifen mit maximalem Druck. Auch abseits der Straße auf groben Schotter-, Sand- und Feldwegen gefielen mir die Reifen überraschend gut. Gelände- und Schlechtwetterfahrer sollten zu einem Reifen mit etwas mehr Profil greifen. Entscheidend für die Wahl der Reifengröße sind viele Faktoren und es macht keinen Sinn, eine generelle Empfehlung auszusprechen. Der Unterschied 28 zu 29 ist minimal, aber die Ballonreifen gefielen mir an diesem Rad sehr gut.    

Gut gerahmt

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Tout Terrain Rahmen weisen einige Besonderheiten auf, unter anderem den fest verschweißten Gepäckträger. So ist das Rad für schwere Lasten bestens gerüstet und der Rahmen äußerst stabil. Auch sonst ist der Rahmen aus CrMo-Stahl von Dedacciai sauber verarbeitet.

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Der lackierte Edelstahl-Gepäckträger sieht jedoch nur ungenutzt gut aus. Taschen scheuern den Lack ab, was zwar nicht zu Rost führt, aber eben nicht schön aussieht. Zwar helfen transparente Schutzaufkleber, das Problem zu minimieren, nur sollten diese auch regelmäßig ausgetauscht werden. Wichtig: Nicht bei allen Modellen von Tout Terrain sind die Gepäckträger aus Edelstahl und somit rostfrei. Einige sehen im angeschweißten Gepäckträger ein erhöhtes Risiko des Rahmenverzuges bei unsachgemäßem Transport, z. B. im Flugzeug. Ich halte das Risiko für sehr überschaubar und sehe den spürbaren Stabilitätsgewinn als großen Vorteil.

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Über die Vor- und Nachteile offener Zugführung für Bremsen und Getriebe lässt sich auch streiten, ich empfand sie aber nicht als störend. Eine kleine Besonderheit am Tout Terrain Rahmen ist der Lenkeinschlagstopper: Dieser verhindert ein Verdrehen des Vorderrades und schützt so die Züge.

Ausstattung gefällig? Bremsen, Licht und Zubehör

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Wie alle Fahrräder von Tout Terrain lässt sich auch das Tanami individuell konfigurieren. Wer will, kann mit hochwertigen Anbauteilen den Preis auf über 6.600€ hochtreiben. Der Grundpreis beginnt bei 4.590€ (Stand Mai 2016).

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Die von mir getestete Variante kam mit einem SON Nabendynamo und der Supernova Lichtanlage. Wer viel im Dunkeln fährt, ist damit bestens ausgerüstet. Für den Alltag tut es sicher auch eine günstigere Beleuchtungsanlage.

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An den Shimano Deore Bremsen mit XT Scheiben gab es nichts auszusetzen. Kraftvoll und fein dosierbar, brachten sie das Rad auch bei Regen stets sicher zum Stehen. Längere Abfahrten mit Gepäck machten keine Schwierigkeiten. Der schmale und feste Brooks Cambium Sattel ist sehr gut, für meine Bedürfnisse aber auf Langstrecken nicht optimal.

Power on the Road – USB Stromversorgung

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Das Smartphone gehört für die meisten Reiseradfahrer inzwischen zum festen Bestandteil der Ausrüstung. Auf langen Fahrten, womöglich noch als GPS Navigationsgerät eingesetzt, hält der Akku allerdings selten über einen Tag. Wäre es da nicht schön, das Smartphone direkt über den Nabendynamo zu versorgen? Tout Terrain hat dazu eigens den „Plug“ entwickelt, eine USB-Ladebuchse, die direkt auf dem Vorbau montiert ist.

Was für manche als Spielerei erscheinen mag, ist für mich unverzichtbar geworden. Zwar hilft auch ein Akkupack über mehrere Tage aus, aber mit dieser Lösung gibt es immer genügend Strom, auch zum Aufladen des Akkupacks. So bleibt man auf langen Reisen unabhängig und kann sämtliches USB Zubehör zuverlässig laden. Die USB Buchse „The Plug“ kann ich daher für ein Reiserad uneingeschränkt empfehlen. Voraussetzung ist aber ein Ahead Vorbau und der SON Nabendynamo (mit seinem hohen Wirkungsgrad) sollte verbaut sein.

Ergonomie & Langstreckentauglichkeit

Kommen wir zum wichtigsten Punkt am Rad, der Ergonomie. Das Tanami versucht, viele Räder in sich zu vereinen: Ein sportliches Universal-Reiserad, welches sich in der Stadt wie im Gelände wohlfühlen soll. Vor der großen Testfahrt fuhr ich mehrere hundert Kilomenter zum Einstellen und irgendwie erschien mir das Rad nicht Fisch noch Fleisch: Ein Mountainbike mit Slick-Bereifung. Die Sitzhaltung ist sportlich, aber für längere Touren nicht unbedingt bequem.

Grundsätzlich passte der L-Rahmen für meine 180cm Körpergröße, doch schmale Sattel und gerade Lenker sind für zwölf Stunden Tagesfahrten nicht optimal. Da komme ich mit einer klassischen 60° Tourengeometrie und meinem gefederten Brooks B66 einfach besser zurecht. Auf den über 1.000 km in sechs Tagen auf jeder Art von Wegbeschaffenheit zeigte sich aber, dass das Tanami wirklich sehr universell ist und Spaß macht damit zu fahren.

Keine Kombination aus Lenker, Vorbau und Sattel wird jeden Fahrer und jeder Nutzung universell gerecht werden. Darum ist dieser Punkt schwer allgemein zu beurteilen und jeder sollte sich bei einem Kauf abhängig vom Einsatzschwerpunkt und persönlichen Vorlieben die passenden Komponenten zusammenstellen. Da jedes Tout Terrain Fahrrad individuell aufgebaut ist, lassen sich fast alle Wünsche erfüllen.

Fazit zum Tout Terrain Tanami Xplore

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Das Tout Terrain Tanami Xplore ist ein wirklich gelungenes Reiserad mit hohem Spaßfaktor und universellen Einsatzmöglichkeiten. Die Kombination aus der Pinion Tretlagerschaltung mit dem fast wartungsfreien Riemenantrieb überzeugen auf ganzer Linie. Die erstklassige Verarbeitung und die hochwertigen Komponenten haben aber Ihren Preis: Mit knapp 5.000€ ist die getestete Version eine große Investition. Dafür erhält man ein robustes, fast wartungsfreies Rad für jede Gelegenheit.

Gefallen haben mir besonders die vielen Detaillösungen von Tout Terrain, wie die Pinion Aufhängung, der stabile Rahmen und die Art der Rahmenöffnung. Einzig die laute Hope Hinterradnabe störte beim Ausrollen. Hier wird nachgebessert und eine leisere Nabe von American Classic verbaut. Die Aluschutzbleche sehen schick aus und sitzen absolut fest, leider sind sie etwas zu kurz geraten, um ausreichend Spritzschutz zu bieten. Die getestete Variante mit schmalem Brooks Cambium Sattel und geraden Lenker ist eher für den sportlichen Ausflug geeignet. Für echte Langstreckenfahrten empfiehlt sich eine ergonomischere Konfiguration aus Sattel, Vorbau und Lenker.

Den 29 Zöller habe ich nur schweren Herzens zurückgegeben und bis auf ein paar Kleinigkeiten würde ich mit diesem Rad auch zu größeren Radreisen aufbrechen.

Eindrücke von der 1.000 km Testfahrt

Die Testfahrt sollte das Tanami auf die Probe stellen. Ein paar Impressionen:

Weitere Informationen

5 Kommentare

  1. Langstrecke

    Vielen Dank für den ausführlichen Testbericht. Habe vor mir das Rad zu kaufen und ein paar gute Anregungen erhalten. Auch der Reisebericht ist klasse!

  2. TutnixzurSache

    Hi,
    bin auch gerade am überlegen, ob es ein Tout Terrain wird. Den Traum Rohloff wird der Geldbeutel wahrscheinlich nicht ganz hergeben, daher würde mich interessieren: lässt sich das umrüsten? Ist der Rahmen der Rohloff Version und der Kettenschaltungs-Version komplett gleich? Leider finden sich so gut wie keine Bilder von Tout Terrain Rädern mit Kettenschaltungen, auf denen man das Tretlager sieht, was ja dann immer einen Exzenter haben müsste. Außerdem würde mich interessieren, ob auch die hintere Nabenaufnahme so ist, dass Rohloff ohne umbau passt.
    Grüße

  3. Daniel K.

    Hallo zusammen,

    ich kann nach meinen ersten Erfahrungen bei einem Tot Terrain Tanami GT nur vor dem Kauf eines Tout Terrain Produktes warnen.
    Tout Terrain hat zwar einen Premium Anspruch, das Fahrrad erfüllte diesen aber keinesfalls.

    Auszug:
    a) bei der Übergabe des Fahrrades diverse Mängel entdeckt, Schutzblech schleift am Vorderrad, und ein Lackschaden
    b) nach ca. 60 km Lagerschaden am Pedal der Eigenmarke „Black Label“
    c) nach ca. 2`000 km löst sich komplett das Lenkerband auf

    Diese Mängel haben jeweils einen ausserplanmässigen Werkstatt-Aufenthalt nach sich gezogen.

    Premium sieht anders aus, daher lieber nach Alternativen von Patria, Norwid, Rennstahl etc. Ausschau halten. Ich habe den Kauf eines Fahrrades bei Tout Terrain definitiv bereut. Keine Kulanz sondern eher Arroganz seitens Tout Terrain kennen gelernt. Kundenbindung sieht anders aus.

    Viele Grüsse, Daniel K.

  4. Zweiradfreund

    Ein schönes Fahrrad und eine schöne Rahmenfarbe. Ist das RAL 3001 (Signalrot) oder RAL 3004 (Purpurrot)?

    • Kommentar des Beitrags-Autors

      Philip Simon

      Das weiß ich leider nicht mehr. Signalrot müsste deutlich leuchtender sein. Am Besten fragen Sie direkt per ToutTerrain nach. Die müssten Ihnen die genaue Farbbezeichnung mit Verweis auf diesen Artikel nennen können.